In Krisenzeiten wie aktuell durch Covid-19 verursacht, kommt Diversifikation wieder mehr Bedeutung zu. Aber das bedeutet nicht nur Branchen- und Kapitalisierungs-, sondern vor allem auch geographische Diversifikation. Es zahlt sich aus, seine Eier in verschiedenen Körben unterzubringen, um möglichen extremen Abschwüngen und damit verbundenen Panikmomenten entgegenzuwirken.

Mangelnde geographische Diversifikation:

In den meisten Portfolios lässt sich allerdings eine starke Tendenz zu Gunsten von Nordamerika und Europa feststellen. Gegebenenfalls trifft man noch auf ein wenig Japan-Beimischung. Ein großer Markt bleibt oft unberücksichtigt: China.

China nimmt als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt beispielsweise nur 4,7% im MSCI All County World Index ein; die USA dazu im Vergleich 57,86%. Dies hat zahlreiche Gründe. Oft gibt es Kritik am autoritären System, Bedenken bzgl. der Transparenz bei der Berichterstattung, Unsicherheit aufgrund des 30 Jahre “jungen” Aktienmarkts (Wiedereröffnung 1990) und letztlich schlichtweg fehlendes Wissen zu chinesischen Unternehmen.

Trotz der genannten Risiken, die wir hier nicht von der Hand weisen möchten, gibt es durchaus auch Faktoren, die für ein Investment in den chinesischen Markt sprechen. Auch für bewusst nachhaltige Investoren.

Technologisches Wachstum:

Durch geschickte Joint Ventures und intelligente Akquisitionen sowie massive Investments und wirtschaftspolitische Maßnahmen hat es die Regierung geschafft, dass China mittlerweile weit mehr als ein guter Kopierer westlicher Technologien ist. Städte wie Shenzhen zeigen den pulsierenden technologischen Fortschritt auf, der dort täglich stattfindet. Als “Silicon Valley” Chinas ist diese Stadt die Geburtsstätte von Erfolgsunternehmen wie Huawei und Tencent.

Der technologische Fortschritt steht nach wie vor auf der Agenda der chinesischen Regierung. Das Ziel umfasst unter anderem der größte Innovator im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) zu sein. Diese Vorhaben haben bereits konkrete Resultate gezeigt. So hat China nicht nur die meisten KI-Unternehmen, sondern auch das höchst bewertete: SenseTime Group.

Die in China vorhandene Technologieaffinität spiegelt sich bereits im Alltag wider. Ca. 45% aller globalen E-Commerce-Transaktionen sind den Chinesen zuzurechnen. Auch bei Online-Payments weist China eine dreimal höhere Rate auf als die USA. Diese Raten beziehen sich wohlgemerkt noch auf die Zeit Pre-Covid und wurden in den letzten Monaten zusätzlich durch die Folgen des Virus‘ beschleunigt.

Günstige Bewertung:

Vergleicht man die Marktkapitalisierung an der New York Stock Exchange (ca. 29 Billionen USD) mit der an der Shanghai Stock Exchange (ca. 4,7 Billionen USD) zeigt sich, dass der Markt insgesamt noch sehr niedrig bewertet ist. Einige bekannte chinesische Unternehmen (wie z.B. Tencent, Alibaba, JD.com) bewegen sich zwar durchaus im höheren Bereich, gemessen am jeweiligen Umsatz und Gewinn sind diese jedoch deutlich günstiger als die amerikanischen Pendants.

So hatte Alibaba 2019 ein Kurs-Gewinn Verhältnis (KGV) von 36, Amazon dagegen ein KGV von 78. Die größtenteils jüngeren Unternehmen aus China sind zwar mit einem größeren Risiko behaftet, weisen allerdings auch höhere Wachstumschancen auf.

Diese potentielle Unterbewertung könnte man als Investitionschance sehen, sie führt aber auch zu weiteren Vorbehalten. Schließlich muss es einen Grund für die Unterwertung geben.

Die Gründe sind vielseitig und komplex. Angefangen bei dem “jungen” Markt, ist ein weiterer wichtiger Punkt die fehlende Aktienkultur. 52% aller US-Amerikaner besitzen Aktien, in China dagegen lediglich 7% der Einwohner. Alternative Investments wie Immobilien werden dort deutlich bevorzugt. 

Gesellschaftliche Bedingungen:

China stellt mit ca. 1,4 Milliarden Menschen einen großen Markt dar. Auch Google (Alphabet) hat dies gemerkt und arbeitet immer wieder an einem “alternativen Google” für den chinesischen Markt.

Selbst im Falle eines Handelsstreits sollte man nicht vergessen, dass viele Unternehmen hiervon überhaupt nicht betroffen wären, da sie primär den Binnenmarkt adressieren. Selbst wenn dieser bereits erschlossen ist, bleibt immer noch ein enormes Potential in der Marktdurchdringung. Zusätzlich stehen Chinesen neuen Technologien offener gegenüber, nicht zuletzt bedingt durch geringere Vorbehalte rund um das Thema Datensicherheit und Datenschutz.

Nachhaltige Entwicklung:

China ist nach den USA der zweitgrößte CO2-Emmittent der Welt. Das rasante Wirtschaftswachstum hat Spuren hinterlassen, Smog-Wolken über Peking bilden den lebendigen Nachweis und führten bereits vor Covid-19 dazu, dass Mundschutzmasken keine Seltenheit waren. Auch die chinesische Regierung hat diese negativen Folgen erkannt und massiv in erneuerbare Energien investiert. Seit 2017 hat China mehr in „Renewables“ investiert als die USA und Europa kombiniert. So ist China insbesondere im Bereich der Solarenergie führend; nicht nur als Produzent, sondern auch die meisten Solaranlagen werden in China installiert.

Generell hat China die Bedeutung von Nachhaltigkeit für ausländische Investoren verstanden und sich deren Bedürfnissen angepasst. Neue Richtlinien zum Schutz der Aktionäre und ein rapides Wachstum an Green Bonds und Investitionen in Green Finance sollen weitere Investoren anlocken. Auch das Thema ESG wird immer wichtiger. Die chinesischen Richtlinien sind in diesem Bereich noch „softer“ als vergleichbare der westlichen Hemisphäre, aber ein erster Schritt ist somit getan. 

Fazit:

Ein Investment in China wird wie erwähnt von vielen Seiten nach wie vor mit Skepsis betrachtet. Sicherlich ist ein Investment in diesen “jungen” Markt mit gewissen Risiken verbunden. Dem treten aber auch hohe Chancen entgegen. 


Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Marc Theiner

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert