Oft führe ich Diskussionen zur “Mobilität der Zukunft”. Das ist ein Thema, bei dem sehr viele verschiedene Meinungen aufeinandertreffen und sicherlich niemand die Zukunft tatsächlich voraussagen kann. Meiner Meinung nach werden aber die oft beschworenen E-Scooter keinen größeren Part in der Mobilitätslösung spielen.

Warum glaube ich das?

Zu aller erst fehlt es an der Praktikabilität. Für lange (bzw. eher längere) Strecken sind sie ganz einfach nicht gemacht. Von der Reichweite noch garnicht gesprochen, fehlt es schon an der Bequemlichkeit, um für mehr als nur “schnell um die Ecke” in Frage zu kommen. Für kurze Strecken (z.B. Innenstadtwege) sind sie unnötig. Solche Strecken sollte man nicht nur der eigenen Gesundheit zu Liebe besser zu Fuß bestreiten.

Der oft hervorgehobene Vorteil in Sachen Nachhaltigkeit wirkt eher scheinheilig. Natürlich verbraucht man kein Benzin oder Diesel und stößt kein CO2 aus (Richtigerweise wird dadurch der Abgasausstoß in Innenstädten reduziert), aber wie Andreas Orbig schon in seinem 3. Teil über nachhaltige Transaktionen beschrieben hat, geht es in Sachen Sustainability um die gesamte Wertschöpfungskette. Und unabhängig davon, wo der Strom überhaupt herkommt (was ja die Hersteller von den Rollern nicht beeinflussen können, aber dazu später mehr), sind die Umstände der Batterieherstellung mehr als umstritten. Zusätzlich ist eine Haltedauer von ca. 6 Monaten pro Roller auch nicht gerade eine Glanzleistung.

Wie oben schon genannt, legt man mit dem E-Scooter eben Strecken zurück, die auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad wunderbar machbar sind. Die Roller besetzen also ein Marktsegment, das bereits mit nachhaltigeren Alternativen komplett besetzt ist.

Probleme beim Geschäftsmodell:

Wie beschrieben ist auch der Markt ein sehr schwieriger. Zusätzlich handelt es sich aber auch um ein saisonales Geschäft. Bei Minusgraden in zentraleuropäischen Großstädten oder bei 50 Grad in Dubai benutzt keiner einen Roller. Dort wird dann auf das deutlich weniger nachhaltigere KFZ zurückgegriffen, welches deutlich mehr Komfort bietet.

Ein finanzielles Problem beim Geschäftsmodell ist, dass es aufgrund der Wartungen und dem Ladeprozess ein äußerst Cash-intensives Business ist. Zum einen müssen die Roller regelmäßig ausgetauscht werden und das nach relativ kurzer Zeit (s.o.), zum anderen müssen auch diese regelmäßig gewartet werden, damit die Kundenzufriedenheit nicht zu massiven Problemen führt. Keiner möchte nämlich einen kaputten Roller benutzen und ein Kunde, der einmal ein nicht funktionierendes Exemplar bekommen hat, wird nur schwer erneut zu akquirieren sein. Eine größere Sorge würde mir als Investor allerdings der aufwendige Ladeprozess bereiten. Jeden Abend sammeln “freiberufliche” Angestellte die Roller ein und laden diese an ihren privaten Steckdosen. Abgesehen davon, dass sich der Vermieter über den plötzlich hohen Stromverbrauch freuen wird, ist der Prozess vom Anbieter kaum zu kontrollieren. Zusätzlich sieht man die “Auflader” auch ständig mit Mietwägen (Benzin oder Diesel) die Roller einsammeln.

Dass es sich um ein Cash-Intensives Geschäftsmodell handelt, sieht man auch an der Art der Investoren. Hinter sämtlichen Anbietern stecken große VCs (z.B. Bain Capital Ventures, Mubadala Ventures, Andreessen Horowitz), die regelmäßig Milliardenbeträge investieren. Viele profitieren damit von den strukturellen Problemen der Venture Capital Fonds (bzw. aller Fonds). Dass der “Unicorn”-Status auch nicht zwingend Erfolg verspricht, zeigt das jüngste Beispiel WeWork, das in letzter Zeit mit dem geplanten und geplatzten Börsengang mit eher negativen Schlagzeilen auf sich aufmerksam gemacht hat.

Ein Problem, das auch andere Branchen haben (z.B. Streaming), ist die starke Konkurrenz. Es gibt zu viele Anbieter, die alle eine eigene App betreiben. Niemand lädt sich zehn Mobility-Apps aufs iPhone. Das heißt, dass dann immer der Roller in der Nähe steht, dessen App man gerade nicht zur Hand hat. Auch das ist natürlich ein Punkt, der die Kundenzufriedenheit (allerdings unverschuldet durch die Anbieter) sinken lässt. Sicherlich wird der Markt sich hier noch selbst bereinigen, aber derzeit ist die User-Experience nicht gut genug.

Ein Punkt, der mir persönlich auch immer wieder auffällt: In Städten wie Miami oder New York City gibt es immer mehr “Scooter-Freie-Zonen”. Das ist natürlich auch nicht gerade förderlich, weil End-to-End-Verbindungen sind das Wichtigste in der Mobilität von morgen.

Fazit:

E-Scooter sind sicher eine lustige Angelegenheit, aber werden keine dauerhafte Lösung darstellen. Tatsächlich sind sie nur als Übergangsstudium zu sehen und ein erster Schritt in Richtung einer urbaneren Mobilität. Wie genau sich die Märkte entwickeln, wird sich zeigen.

2 Kommentare
  1. Avatar
    Andy sagte:

    Lieber Marc,
    ich bin bei Dir in Sachen Mietroller. Anders schaut das Modell bei „eigenen“ Rollern aus. Ich fahre ein Modell seit etwa 1 Jahr und habe rund 600 km auf der Uhr. Ich bin nach wie vor begeistert. Kann man im ÖPNV und ohne Fahradträger auch im Auto mitnehmen und ist in der Stadt unschlagbar. Und für Wohnmobilisten ebenfalls eine wunderbare Ergänzung für die „letzte Meile“. Ich liebe meinen Scooter und möchte ihn nicht missen.
    Der Andy

    Antworten
    • Marc Theiner
      Marc Theiner sagte:

      Lieber Andy,
      Vielen Dank für deinen Input. Der Roller im Eigentum hat natürlich einige Vorteile. Man kann grundsätzlich selbst die Haltbarkeit sowie die (nachhaltige) Stromversorgung kontrollieren. Der Einsatz des Rollers für die letzte Meile hat sicherlich Vorteile, zu Fuß kann aber doch auch ganz gut mithalten.
      Danke für deinen Kommentar!
      Liebe Grüße
      Marc

      Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert